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Tier- und Pflanzenführer - Kindernaturführer

Tier- und Pflanzenführer - Kindernaturführer

Autor*n: Van Saan, Haag, Oftring

Verlag: Kosmos, 1. Auflage 2017

Preis: Fr. 10.90  / 9.99

ISBN: 978-3-440-15244-7

Ein Rundum-Bestimmungsbuch für Kinder (und Erwachsene)

So etwas hätte ich mir als Kind gewünscht! Ein Buch, das mir die Natur erklärt von vorne bis hinten. Zumindest zum Teil gelingt dies dem 2017 erschienen Kinder-Naturführer von Kosmos.

Was ist ein Neuntöter? Wie sieht ein Zunderschwamm aus? Was sind eigentlich Wirbellose? Kann ich Eibenbeeren essen? Wie heisst die blaue Libelle? All die spannenden Fragen kleiner Naturkundler*nnen werden beantwortet und noch viel mehr.

 

Eine schöne Übersicht zeigt Wirbeltiere und Wirbellose. Grundsätzliches wird mit Leichtigkeit vermittelt. Ähnlich dankbar sind „Vogeluhr“ und „Beinuhr“. Derlei unmittelbar verständliche Tafeln wünschte ich mir noch mehr in diesem Buch. Der Waschbär auf dem Coverfoto dient als „jööh“-Effekt zum Kaufanreiz, zugleich wird dazu im Klappentext die Problematik eingeführter Arten behandelt.

 

Nach wenigen erklärenden Seiten geht es mit den Arttexten weiter. Diese sind sinnvoll nach „Stadt und Dorf“, „Wiese und Feld“, „Wald“ und „Gewässer“ eingeteilt. Jeweils werden eine Auswahl an Insekten, andere Wirbellose, Amphibien, Reptilien, Säugetiere, Vögel, Strauch- und Baumpflanzen sowie Pilze für den jeweiligen Naturraum beschrieben.

 

Jede Art steht auf einer Seite mit guten Abbildungen, geeignet zur Bestimmung. Gleichzeitig werden Besonderheiten anschaulich gemacht. So fällt Lernen leicht. Durchgängig geben Kästen mit den Titeln „Schau genau“, „Vorsicht“, „Erstaunlich“, „Wichtig zu wissen“ oder „Mach mit“ vielfältige und brauchbare Hinweise. Das ist nett gemacht und lässt sich ohne Weiteres für Exkursionen und Kindergruppen verwenden. Angaben zu Grösse und Auftreten der Art im Jahresverlauf ergänzen die Seiten.

 

Über die Auswahl der behandelten Arten wird man wohl lange streiten können und gesamthaft scheint diese gelungen. Dennoch erschliesst sich nicht, weshalb kein Fisch beschrieben wird, ebenso kein Krebs - werden doch beide Gruppen in der einführenden Übersicht aufgeführt. Leider findet sich auch keine einzige Schlange. Zumindest die Ringelnatter, Forelle, Krabbe oder Flusskrebs hätten Eingang finden sollen.

Über die „Kosmos-plus-App“ (kostenlos über App Store oder Google Play) stehen Hörbeispiele zur Verfügung. Auf der Artseite steht ein Code, eintippen, und schon pfeift oder summt es aus dem Handy. Gerade für die Vogelstimmen eine sehr wertvolle Erweiterung.

 

So gelungen das Buch in vielerlei Hinsicht ist, so schade sind seine Schwächen. Zugegeben, es sind Kleinigkeiten, doch diese summieren sich zu dem Eindruck, dass Vieles nicht zu Ende gedacht oder gestaltet ist und an der falschen Stelle gespart wurde:

 

Für Zeiten, in denen selbst Tageszeitungen Texte in „einfacher Sprache“ veröffentlichen, sind die Sätze und Beschreibungen unnötig lang und kompliziert – in einem Kinderbuch! Mit wenig Mühe hätte sich hier der Leser*nnenkreis auf jüngere Kinder erweitern lassen können.

 

Mit etwas Aufmerksamkeit und Fleiss in der Gestaltung wären die wirklich guten Ansätze in ihrer erklärenden Funktion sehr praktisch und lehrreich. So ist die Liste der Wirbeltiere und der Wirbellosen sehr gelungen. Leider zeigt das Foto bei den Vögeln keine Amsel oder eine Ente wie bei den Beispielen genannt.

Und weshalb hat es auf dem Umschlag kein Zentimetermass wie bei anderen Kosmos-Büchern?

 

Dann einmal mehr: Auf den Kinderfotos sind fünfmal Jungs aber nur zweimal Mädchen abgebildet. Es werden nur männliche Formen („der Gärtner“) verwendet. Immerhin wird auf den Abbildungen ein Kind of Color gezeigt. Es ist weder schwierig noch mühevoll, in einem Kinderbuch die reale, von Kindern alltäglich erlebte Diversität abzubilden. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

 

Fazit: Insgesamt ist der Tier- und Pflanzenführer für Kinder ein praktisches und gefälliges Buch. Für erstaunlich wenig Geld wird viel geboten – für Kinder, Naturgruppen, Exkursionen und Schulen. Vielleicht sind die ökonomischen Zwänge bei der zweiten Auflage geringer und es liegt eine Überarbeitung mit Sorgfalt und Pfiff drin. Dann könnte der Weg zu einem Standardwerk für Naturpädagogik beschritten werden und weite Verbreitung und Anwendung wäre zu wünschen.

 

Andreas Reich, Juli 2019