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Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung

Vögel lebensgross

Autor: Arnulf Conradi

Verlag: Kunstmann, 1. Auflage 2019

Preis: Fr. 31.90  / 20.-

ISBN: 978-3-95614-289-5

Nabelschau eines alten weissen Mannes oder mehr?

Der Titel verspricht viel und die ersten beiden Kapitel geben eine Ahnung, wo es hätte hingehen können. Dass Naturbeobachtung zu innerer Ruhe und sich selbst führen kann, dürfte vielen klar sein. Dass Beobachtung das Wesen des Da-Seins im einzigartigen Moment in sich trägt, auch. Dies an eigenem Erlebten mit theoretischem und historischem Wissen über Meditation im Allgemeinen und Zen-Buddhismus im Besonderen zu verknüpfen, ist ein schöner Ansatz. Leider erarbeitet sich der Autor trotz vorhandenem Bezug zu einschlägiger Literatur nicht die nötige Tiefe.

 

So gelingt zwar durchaus ein Anklang an die Erfahrung tiefen, konzentrativen Verweilens, doch die Verknüpfung zur Vogelbeobachtung wird nur an wenigen Stellen spürbar. Meist gleiten die Beschreibungen in teils gefällige, bald belanglose und selbstgefällig wirkende Schilderung eigener Vogelbeobachtung ab. Das mag ganz nett sein, sofern einem die aneinandergereihten Vogelarten bekannt sind und ein inneres Bild des Geschilderten entstehen kann. Die vermittelten ornithologischen Informationen sind teilweise interessant, teils wenig originell und es gibt Fehler. Insgesamt kann man dies ohne Anstrengung vor sich hin plätschern lassen.

Verdrossen macht hingegen die fehlende kritische Distanz zu eigenem Handeln. Über Andere wird sich ob deren Art des Vogelbeobachtens mokiert, es wird geklagt über Windanlagen, die das eigene ästhetische Empfinden stören. Doch die Problematik der eigenen Kreuzfahrt in die Antarktis im Luxusambiente wird genauso wenig hinterfragt wie der im Wald freilaufende eigene Hund. Was an den sinnfreien und fragwürdigen Übungen zur Rettung von Jungschwänen für Leser*nnen spannend sein soll, erschliesst sich ebenfalls nicht.

 

Und, leider auch wieder hier, bis auf die sattsam bekannte Phoebe Snetsinger, scheinen Frauen weder sprachlich, noch in der Literatur, weder im ornithologischen noch im Zen-Leben eine Rolle zu spielen. Ein dürftiger Blick auf die Welt bei einem ganzheitlichen Ansatz.

 

Fazit: Bestenfalls ein leichtes Sommerbuch – mehr nicht. Für den Verdruss zu teuer.

 

Andreas Reich, Juli 2019